Kinderehe und Zwangsheirat zerstören das Leben vieler junger Mädchen in Bangladesch. Die Aktivistin Dola hat eine Lösung gefunden, die das Problem an der Wurzel packt.
Dola hat geschafft, was ihrer Mutter und vielen anderen Mädchen in Bangladesch nicht gelang: Sie wehrte sich gegen ihre eigene Heirat im Kindesalter und rettet nun seit Jahren andere Mädchen und Jungen vor der Zwangsheirat. Als Aktivistin für das «National Child Forum of Bangladesh», einer Kinderschutzorganisation, die von World Vision unterstützt wird, konnte sie bereits mehr als 600 solcher Ehen stoppen und hat sie sich zum Ziel gesetzt, die Kinderheirat in Bangladesch abzuschaffen.
Erinnerung als Lösung
Ihre Waffe im Kampf gegen die Kinderehe: Die eigene Erinnerung. Sie fragt Mütter nach ihren Kindheitserinnerungen, und macht ihnen dadurch klar, wie brutal sich die Zwangsheirat auf ihr Leben ausgewirkt hat. Denn die Suche nach Erinnerungen, so Dola, ist ein effektiver emotionaler Weg, wie Mütter verstehen, dass die frühe Ehe Mädchen die Kindheit raubt.
Als Delegierte ihrer Organisation hat sie es im letzten Jahr bis vor die Vereinten Nationen in Genf geschafft. In ihrer Rede warf sie ein Licht auf eine Grauzone zwischen Gesetz und Praxis. Denn in Bangladesch ist das Mindest-Heiratsalter nicht tiefer als anderswo, wird aber oft einfach ignoriert. «Manche Eltern aus traditionellen Gemeinden glauben, dass die Kinderheirat ihre Tochter schützen wird. Sie denken, dass die Ehe sie wirtschaftlich und auch vor Belästigungen und sexueller Gewalt schützt», so Dola.
Jedes Jahr erreichen Dola und ihre Organisation Tausende von Familien durch Kampagnen, kulturelle Aktivitäten und Theaterstücke, die auf das Problem aufmerksam machen. Sie zeigen den Eltern auf, dass das Leben ihrer Töchter genau gleich wertvoll ist, wie jenes ihrer Söhne. Dola erklärt ihnen, dass eine frühe Heirat kein Schutz, sondern eine Gefahr ist. Denn die jungen Mädchen sind den Strapazen einer Geburt oft gar nicht gewachsen. So sind Komplikationen durch Schwangerschaft und Geburt weltweit die häufigste Todesursache bei Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. Zudem brechen sie oft gleichzeitig die Schule ab und sind häuslicher Gewalt ausgesetzt. Doch es gibt Hoffnung: Viele Eltern sind bereit, ihre Meinung zu ändern, wenn sie mehr über die Risiken der Kinderehe erfahren. Ihnen leuchtet ein, dass die Hilflosigkeit in einer Kinderehe oft das ganze Leben bestimmt, auch wenn die einstigen zwangsverheirateten Kinder älter werden.
Mehr Kinderehen wegen COVID-19
Dola hat es – auch mit der Hilfe ihrer Mutter – geschafft, dieser Spirale zu entkommen. «Um eine bessere und sicherere Welt für Kinder zu erschaffen, müssen wir Kinderehen verhindern», erklärt sie. Doch die Herausforderungen sind riesig: So verschärft sich durch die COVID-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen das Risiko solcher Ehen, da viele verarmte Familien die Verheiratung ihrer Kinder als einzigen Ausweg aus der Not sehen. Das zeigt beispielsweise eine Studie von World Vision zur aktuellen Kinderehen-Situation in Syrien auf. «Für uns gilt jetzt mehr denn je, dass wir alles dafür tun müssen, Eltern zu schulen und Mädchen mittels Bildung zu helfen, ihre Chancen auf eine selbstbestimmte und würdevolle Zukunft zurückzuerobern», bringt Christoph von Toggenburg, Leiter von World Vision Schweiz, die erschütternde Lage auf den Punkt.
«Gewählt zu werden, ist ein wunderschönes Gefühl.»
Ein Spender, der bei «Chosen» von einem Patenkind ausgewählt wurde